Die Magnetresonanztomographie hat sich in den vergangenen Jahren zu der zentralen Bildgebungsmodalität in der Neuromedizin entwickelt. Durch die fortschreitende Verbesserung der Hardware, die Entwicklung neuer Spulen und Sequenztechniken und die stetige Weiterentwicklung des Postprocessings der aufgenommenen Daten, können heute neben der reinen Morphologie auch funktionelle und metabolische Prozesse des Neuroparenchyms mit hoher Präzision bildgebend dargestellt werden. Derzeit werden die Grenzen der Auflösung insbesondere durch die Einführung von Ultrahochfeld-Geräten wie des neuen Siemens Magnetom Terra (weltweit der erste Scanner mit Zulassung für die klinische Neurobildgebung am Standort Erlagen seit 2017) mit einer magnetischen Flussdichte von 7.0 Tesla bis in den Submillimeterbereich gesteigert.
Die Etablierung von innovativen Untersuchungstechniken in der Magnetresonanztomographie zur Diagnostik und zum Therapiemonitoring von neurologischen und ophthalmologischen neurodegenerativen Erkrankungen und die Translation dieser Erkenntnisse in die klinische Routinediagnostik bilden den Schwerpunkt unser wissenschaftlichen Tätigkeit auf diesem Gebiet.
Funktionelle MR-Bildgebung hat die Art und Weise, wie das Krankheitsbild Glaukom heute verstanden wird, grundlegend verändert. Bis vor wenigen Jahren wurde das Glaukom nur aus rein ophthalmologischer Sicht wahrgenommen. Erst die Etablierung der Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) und die Anwendung dieser Methode bei Patientinnen und Patienten mit verschiedenen Subtypen des Glaukoms, hat Erkenntnisse geliefert, das Glaukom heute nicht nur als eine okuläre Erkrankung, sondern als Manifestation weitreichender neurodegenerativer Prozesse zu sehen.
Im Rahmen eines durch das Interdisziplinäre Zentrum für klinische Forschung drittmittelgeförderten Forschungsprojekts „Diffusions-Tensor Bildgebung der Sehbahn bei Pseudoexfoliationsglaukom (PEX-Glaukom)“ konnten wir an Sehgesunden und Glaukompatientinnen bzw. Glaukompatienten erstmals zeigen, dass die Diffusions-Tensor-Bildgebung mit Berechnung von Diffusionskoeffizienten wie der fraktionaler Anisotropie (FA) sowie der mittleren und radialen Diffusivität als Marker der axonalen Integrität, die Beurteilung der intrakraniellen Sehbahn in hoher Korrelation zu etablierten augenärztlichen Untersuchungen erlaubt. Insbesondere die (automatisierte) Berechnung von FA-Kartierungen der Sehbahn aus Diffusionsdatensätzen und der Einsatz moderner, reader-unabhängiger Verfahren wie TBSS (Tract-based spatial statistics) können ohne größeren Zeitaufwand in die klinische Routine eingebunden werden und ermöglichen sowohl eine Detektion glaukombedingter intrakranieller Veränderungen bereits im Frühstadium der Erkrankung, wie auch eine Differenzierung unterschiedlicher Glaukomsubtypen. DTI der Sehbahn ist heute in unserer Abteilung fest etabliert und in enger Kooperation mit der Augenklink ein integraler Bestandteil der komplementären Glaukomdiagnostik.
Mit der Ultrahochfeld-MR-Bildgebung (UHF-MRT) bei 7 Tesla Feldstärke ergeben sich künftig völlig neue Möglichkeiten zur Diagnostik des Glaukoms. Die zuvor nicht erreichte anatomische Auflösung im Submillimeterbereich und detailgetreue Abbildung auch kleinster Strukturen der Sehbahn wird die bildgebungsbasierte Glaukomdiagnostik weiter vorantreiben. Unsere ersten Arbeiten zeigen dabei, dass sich das Corpus geniculatum laterale (CGL), die Verschaltungsstation der intrakraniellen Sehbahn vom 3. auf das 4. Neuron, außergewöhnlich präzise darstellen lässt. Dadurch kann das CGL als Ausgangspunkt für exakte selektive Traktographien des Tractus opticus und der Radiatio optica genutzt werden. Unsere Ergebnisse zeigen eine signifikante Atrophie des CGL bei Glaukom. Diese Atrophie korreliert mit dem Verlust der retinalen Nervenfaserschicht in Bezug auf die komplexe Anatomie der Sehbahn und ihre somatotope Organisation.
In enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe für Metabolische und Funktionelle MR-Bildgebung (Prof. Zaiss und Prof. Nagel) und der Arbeitsgruppe für Quantitative MR-Bildgebung (Prof. Laun) haben wir die Mess- und Sequenztechniken sowie die Methoden des Postprocessings, die im Rahmen dieses Drittmittelprojekts zur multimodalen Bildgebung beim Glaukom etabliert wurden, auf die Diagnostik weiterer neurodegenerativer Erkrankungen übertragen können.
So konnten wir mittels suszeptibilitätsgewichteter Bildgebung (SWI) bei 7 Tesla einen neuen Bildgebungsmarker zur Diagnostik der Parkinsonerkrankung näher charakterisieren. Mittels SWI lässt sich die Ultrastruktur der Substantia nigra, die den Ort der primären Schädigung beim M. Parkinson darstellt, verlässlich bildgebend abbilden. Veränderungen der morphologischen Erscheinung der Substantia nigra, d.h. der Verlust ihrer im Gesunden typischen „Schwalbenschwanz“-Konfiguration, können eine Degeneration der niagralen Neurone und so einen M. Parkinson anzeigen. Allerdings zeigt die Darstellung bei einer ultrahohen Magnetfeldstärke von 7T, dass auch bei einem nicht unerheblichen Teil gesunder Probanden diese so charakteristische Konfiguration der Substantia nigra fehlt.
Für die Anwendung des „Schwalbenschwanzzeichens“ und die korrekte Einordung von Bildgebungsbefunden in der klinischen Routinediagnostik ist dieses physiologische, potenzielle Fehlen bei etwa 20% der gesunden Probandinnen bzw. Probanden von hoher Wichtigkeit. Unsere Arbeit verbessert damit die diagnostische Sicherheit bei der klinischen Anwendung dieses Zeichens. Die Arbeiten zu M. Parkinson und zum Glaukom, denen Messungen am neuen 7T Ultrahochfeld-MRT Magnetom Terra zugrunde liegen, stellen dabei die ersten klinisch-wissenschaftlichen Publikationen in Bezug auf dieses Gerät weltweit dar.
In Zusammenarbeit mit der Abteilung für Molekulare Neurologie (Prof. Winkler) konnten wir den Nutzen der Diffusionbildgebung bei Patientinnen und Patienten mit Hereditärer spastischer Paraplegie (HSP) beschreiben. Dies ist eine Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen, die durch eine progrediente Schwäche und Spastiken der unteren Extremität gekennzeichnet sind. HSP wird durch eine Dysfunktion und Degeneration der Motorneurone verursacht. Mittels hochaufgelöster Diffusions-Tensor-Bildgebung konnten wir mit Hilfe Reader-unabhängiger, objektiver Trakt-basierter Analyse auf Voxelebene sowie mittels zusätzlicher Region-of-Interest Analyse zeigen, dass die fraktionale Anisotropie (FA), ein Surrogatparameter für die axonale Integrität, im Corpus callosum, in der Capsula interna sowie im cervicalen Myelon signifikant reduziert ist.
Die voxelbasierte Auswertung zeigte zusätzlich Veränderungen von Diffusionsindizes wie der axialen und radialen Diffusivität, die nicht auf das motorische System beschränkt waren. Diese könnten ein pathophysiologisches Korrelat für extra-motorische Symptomkomplexe der Erkrankung wie Depression, Fatigue oder Schmerzsymptome darstellen. Die FA korreliert bei HSP signifikant mit der Krankheitsdauer. Die DTI-Technik eignet sich damit möglicherweise künftig als bildgebender „Progressions-Marker“ und kann klinisch sehr nützlich sein.
MR-Perfusionsmessungen sind wichtiger Bestandteil in der Diagnostik cerebrovaskulärer aber auch neuroonkologischer und neurodegenerativer Erkrankugnen. Das Postprocessing von MR-Perfusionsdaten ist jedoch nicht standardisiert. Mittels eines standardisierten Workflows haben wir verfügbare Postprocessing Softwarelösungen zur Bildnachverarbeitung retrospektiv anhand der Perfusionsdaten von 260 Patientinnen bzw. Patienten mit Hirntumoren, Schlaganfall und Demenz analysiert. Der Vergleich der berechneten Perfusionsindices zeigte dabei für alle untersuchten Erkrankungen im bildgebend unauffälligen Parenchym signifikante Unterschiede. Zum Vergleich wurde das Verhältnis der Perfusionswerte der weißen und grauen Substanz berechnet. Auch in den Subgruppen der unterschiedlichen Erkrankungen ergaben sich signifikante Unterschiede.
Die Ergebnisse zeigen, dass trotz einer standardisierten Akquisition der Perfusionsdaten und eines hoch standardisierten Auswertealgorithmus bei Verwendung unterschiedlicher, kommerziell erhältlicher Softwarelösungen die MR-Perfusionsbildung bei cerebrovaskulären Erkrankungen, bei Hirntumoren und bei neurodegenerativen Erkrankungen unterschiedliche Ergebnisse der berechneten hämodynamischen Parameterkarten liefert, was bei der klinischen Befundung Berücksichtigung finden muss.
Ansprechpartner: PD Dr. med. Manuel Schmidt
Auswahl Literatur:
Schmidt M.A., Engelhorn T, Lang S, et al. DSC Brain Perfusion Using Advanced Deconvolution Models in the Diagnostic Work-up of Dementia and Mild Cognitive Impairment: A Semiquantitative Comparison with HMPAO-SPECT-Brain Perfusion. J Clin Med. 2020;9(6):E1800. Published 2020 Jun 9. doi:10.3390/jcm9061800
List J., Kohl Z., Winkler J., Marxreiter F., Doerfler A., Schmidt M.A. Ascending Axonal Degeneration of the Corticospinal Tract in Pure Hereditary Spastic Paraplegia: A Cross-Sectional DTI Study. (2019) Brain sciences vol. 9,10 268. 9 Oct. 2019, doi:10.3390/brainsci9100268 PMID: 31601037
Schmidt M.A., Knott M., Heidemann M., Michelson G., Kober T., Doerfler A., Engelhorn T. (2018) Investigation of lateral geniculate nucleus volume and diffusion tensor imaging in patients with normal tension glaucoma using 7 tesla magnetic resonance imaging. PLoS One13(6): e0198830
Knossalla F, Kohl Z, Winkler J, Schwab S, Schenk T, Engelhorn T, Dörfler A, Gölitz P. High-resolution diffusion tensor-imaging indicates asymmetric microstructural disorganization within substantia nigra in early Parkinson's disease. J Clin Neurosci. 2018;50:199-202.
Schmidt M.A., Engelhorn T., Marxreiter F., Winkler J., Lang S., Kloska S., Goelitz P., Doerfler A. (2017) Ultra high-field SWI of the substantia nigra at 7T: reliability and consistency of the swallow-tail sign. BMC Neurol. 2017 Oct 26;17(1):194. doi: 10.1186/s12883-017-0975-2